Familie ist nicht mehr nur „Frauensache“
Wie bekommt man Beruf und Kinder am besten unter einen Hut? Lösungsansätze auf Podiumsdiskussion der Freien Wähler vorgestellt
„Beruf und Kinder – geht das denn?“ wollten die Freien Wähler bei einer Podiumsdiskussion im DAI wissen. Sicher geht das – doch nicht mehr zu den alten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen, stellten unter der Moderation von RNZ-Redakteur Micha Hoernle die Podiumsteilnehmer Ursula Lorenz (Freie Wähler), Andrea Kiefer von der Industrie- und Handelskammer (IHK), Wolfgang Schütte vom Heidelberger Bündnis für Familie sowie Wolfgang Erichson, Bürgermeister u.a. für Chancengleichheit, fest.
Noch vor zehn Jahren wäre diese Diskussion in den eigenen Reihen nicht möglich gewesen, gab Ursula Lorenz unumwunden zu. Ihre Fraktion sei jedoch inzwischen für das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern sensibel und „lernfähig“ geworden. Wenig junge Frauen und Männer, an die sich ja in erster Linie die Veranstaltung wenden sollte, saßen im nur 30 Leute umfassenden Auditorium. Dem (Auslauf-)Modell „Papa verdient, Mama kümmert sich“, konnten alle auf dem Podium nichts abgewinnen. Allen voran Bürgermeister Erichson, der das Vorurteil widerlegte, dass die beste familäre Betreuung nur durch Frauen zu bewerkstelligen sei. Obwohl immer noch 77 Prozent der deutschen Familien in einer klassischen Versorgerehe lebten, hielten das laut einer Umfrage nur 14 Prozent der Deutschen für die optimale Lebenssituation. Wirklichkeit und Wunsch klaffen also in Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich weit auseinander. Hier gibt es keine Unterschiede in der Beschäftigungsrate, fast flächendeckende Ganztagsbetreuung für Kinder und, was erstaunt, trotzdem eine hohe Geburtenrate, ja, sogar mit die höchste in Europa.
Deshalb stellte sich dann auch für die anderen Podiumsteilnehmer und einige Zuhörer die Frage, was man in Deutschland für berufstätige Mütter besser machen kann. Erichsons These: „Je nahtloser die Erwerbstätigkeit wieder nach der Geburt eines Kindes aufgenommen wird, umso mehr Chancen bestehen auf eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit.“ Das seit einem Jahr bestehende Bündnis für Familie in Heidelberg, das bei den Heidelberger Diensten angesiedelt ist, stellte Wolfgang Schütte vor. Ihm ist es wichtig, dass alle Formen von Familie berücksichtigt werden. Das traditionelle Familienbild sei ebenso seriös, wie dass eine Frau für den Lebensunterhalt sorgt, oder beide Partner arbeiten. Er wünscht eine Anlaufstelle für Familien beim Amt für Chancengleichheit.
Ein praktisches Beispiel für die anstrengende Doppelrolle von Mutter und Berufstätige gab Andrea Kiefer, denn ihr Handy klingelte ein paar Mal. Am anderen Ende ihre Kinder. Aber auch sie profitiert von dem von ihr mit initiierten Forum Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Metropolregion Rhein-Neckar, das sich umeine familienorientierte Personalpolitik in den Firmen der Region bemüht und mit vielen Initiativen einige bemerkenswerte Erfolge vorweisen kann. So sind schon einige große Unternehmen vorbildlich dazu übergegangen, Kinderbetreuungseinrichtungen einzurichten oder in sie zu investieren.
Was also vor einigen Jahren in der Familie noch Privatangelegenheit war, hat inzwischen Einzug in Unternehmen, Kommunen und Politik gefunden. Zwar noch zögerlich, doch es tut sich was, konnte man der Diskussion entnehmen, aus dem man das Fazit ziehen konnte, dass Väter und Mütter gleichermaßen und so frei und flexibel wie möglich entscheiden sollten, wie ihr Leben mit Kindern aussehen sollte. Dies zu ermöglichen, wäre dann Aufgabe des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umfeldes.
(Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung, Karla Sommer, vom 21. April 2008)