Zwischen Hörsaal und Haushalt

Die 28-jährige Julia Bäumer studiert VWL in Heidelberg – Und kümmert sich um ihre vier Kinder

In dem kleinen Garten in der Unteren Rombach wuselt es wie in einem Kindergarten. Viktoria, Augusta und die Zwillinge Olympia und Magnus schaufeln im Sandkasten, fahren Dreirad oder spielen mit Hündin Teresa. In der Mitte von allem sitzt ihre Mutter Julia Bäumer, 28 Jahre alt und VWL-Studentin im siebten Semester. „Vier Jahre lang habe ich mich nur um meine Kinder gekümmert“, erzählt sie, „dann habe ich aber gemerkt, dass das glückliche Mutterleben allein nichts für mich ist und wieder angefangen zu studieren.“ Die beiden älteren Kinder, Viktoria ist vier und Augusta fünf Jahre alt, gehen schon in den Kindergarten um die Ecke.

Die beiden Zwillinge sind seit einem halben Jahr bei einer Tagesmutter. So kann Bäumer von neun Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags in Vorlesungen gehen und Erledigungen machen. Oft helfen ihr auch Freunde oder die Familie. „Die Kinder wachsen in einem festen sozialen Netz auf, darüber bin ich sehr froh“, sagt Bäumer: Ihre drei Geschwister arbeiten oder studieren in Heidelberg, ihr Ex-Mann kümmert sich jedes zweite Wochenende um die Kinder, ihr jetziger Partner hilft, „und nebenan wohnen unsere Ersatzgroßeltern, die sich auch ganz toll kümmern“. Und was sagen die Professoren zur Großfamilie? „Eigentlich gar nichts“, antwortet sie, „es sind einfach zu viele Studenten an der Uni, da kennen die Professoren die wenigsten Leute persönlich.“ Die, die Bescheid wüssten, reagierten aber positiv und versuchten zu unterstützen. „Dass ich nichts umsonst bekomme, weiß ich natürlich auch“, sagt Julia Bäumer, das wolle sie aber ohnehin nicht.

Also gar keine Probleme im Hause Bäumer? Ihr persönlich gehe es tatsächlich gut als studierender Mutter antwortet die junge Frau. Was sie sich allerdings wünschte, wären mehr Teilzeitangebote. Viele studentische Eltern würden sich gar nicht erst für ein Praktikum bewerben, weil die zeitlichen Anforderungen so hoch seien. Kein Elternteil könne jeden Tag zwölf Stunden in einem Unternehmen arbeiten: „Da müsste es bessere Angebote geben.“ Gut gefiele Bäumer auch ein Teilzeitstudium, wie es an manchen Unis bereits angeboten wird. Die Fachsemesterzeit steigt in diesem Modell nicht an, während man mit Kindern studiert. So können sich die Eltern mit dem Scheinerwerb Zeit lassen und müssen nicht aus dem Studium aussteigen. Eine Befreiung von der Campusmaut gibt es in Baden-Württemberg derweil schon – für Studenten mit Kindern bis acht Jahren.

Damit es für Studenten noch einfacher wird, auch mit Nachwuchs weiter zu studieren, hat Julia Bäumer das „Bündnis für Familie, AG für Vereinbarkeit von Studium und Familie“ mitgegründet. Jetzt treffen sich an jedem ersten Mittwoch im Monat Studenten mit Kindern und Mitarbeiter von Studentenwerk, Gleichstellungsbüro und Studienberatung im Zeughaus zu einem offenen Gesprächskreis. In einem Gespräch mit anderen Eltern könnten viele Probleme sehr
viel schneller gelöst werden, als wenn man zu den speziellen Beratern geht, meint Bäumer.
Übrigens: Julia Bäumer plant ein Auslandssemester in Warschau. Natürlich mit ihren vier Kindern.

(Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung, Paul Heesch vom 08.07.2008)