Was tun Unternehmen für Familien?

Wolfgang Schütte vom „Bündnis für Familie“ fordert nicht nur mehr staatliches Engagement für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Von Götz Münstermann

Das „Bündnis für Familie“ Heidelberg setzt sich seit 2007 dafür ein, dass Berufstätigkeit und Familie sich nicht ausschließen – und ist Mitorganisator der Konferenz „Standortfaktor Familie“. BündnisChef Wolfgang Schütte erklärt, warum Familienfreundlichkeit Unternehmen Mehrwert bringt.

> Warum soll Familienfreundlichkeit in der Wirtschaftskrise ein wichtiger Standortfaktor sein?

Auch in der Wirtschaftskrise bleiben die Rahmenbedingungen die gleichen. Und hier ist der wichtigste Trend der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel. Wenn also Unternehmen ihr gut ausgebildetes Personal auf dem europäischen oder gar dem Weltmarkt suchen, dann müssen sie neben den harten Faktoren – wie Arbeitsplatzsicherheit – auch die weichen Faktoren erfüllen. Dazu gehört eben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für junge Menschen mit guter Ausbildung, für die Wissensarbeiter.

> Was ist mit den Menschen, die nicht als Wissensarbeiter gelten?

Auch in der Produktion nimmt die einfach gewerbliche Arbeit ab und es werden immer mehr Mitarbeiter mit besserer Ausbildung und vielErfahrung benötigt. Familienfreundlichkeit ist auch hier ein Faktor, sonst laufen den Unternehmen die Leute weg. Nach der Wirtschaftsflaute kommt der Aufschwung und dann wird Fachpersonal benötigt. Generell gilt: Mitarbeiter, die ihre Kinder gut betreut wissen oder im Notfall ihr krankes Kind pflegen können, sind motivierter und identifizieren sich mehr mit ihrem Unternehmen.

> Was müssen Unternehmen in Sachen Vereinbarkeit Beruf und Familie tun? Und vor allem: in welchen Branchen?

Branchenübergreifend sind flexible A beitszeitmodelle das wichtigste. Dann ist wichtig, dass die Ferienbetreuung unterstützt wird – das zeigt die Erfahrung bei uns im Heidelberger Familienbündnis, wo die Arbeitgeber sehr aktiv sind. In Sachen innerbetrieblichem Klima ist auch wichtig, dass Familienfreundlichkeit kein Lippenbekenntnis ist. Unterstützung sollte es bei Elterngeld und Vätermonaten geben.

> Wie können Kommunen einen Beitrag zu Familienfreundlichkeit in der Wirtschaft leisten?

Kommunen sollen durch Netzwerke helfen, so wie unser Bündnis den Austausch der Unternehmen fördert. Vor allem für Handwerksbetriebe ist das wichtig, die haben mittlerweile ähnliche Probleme, weil es immer weniger Familienunternehmen gibt und angestelltes Fachpersonal benötigt wird. Außerdem können Kommunen über Wirtschaftsförderung das Thema in Unternehmen tragen. Aber auch Kooperationen in der Kinderbetreuung sind wichtig. So können die Kommunen bedarfsgerechte Angebote machen. Aber: Es wird zu viel von der Gesellschaft und „dem Staat“ erwartet: Meiner Meinung nach müssen sich die Unternehmen fragen lassen, was sie tun und was sie mehr tun können. Denn am Ende dient es ihren eigenen Interessen.

> In welchen Dingen ist Heidelberg da vorbildlich?

Wir haben in Heidelberg die beste Versorgungsquote in Baden-Württemberg bei Krippenplätzen, mit dem Bündnis für Familie und der Familienoffensive passiert viel bei der Entwicklung von Netzwerken. Wir als Bündnis haben mittlerweile bundesweit einen guten Ruf, zum Beispiel weil wir das Thema Alleinerziehende angepackt haben.

> Und wo hat Heidelberg noch Nachholbedarf?

In der Kinderbetreuung, in der Flexibilität der Betreuungszeiten – und hier vor allem bei den freien Trägern. Ich meine, Heidelberg hat auch sehr großen Nachholbedarf bei der Akzeptanz von Familien in der Gesellschaft. Ich finde es mehr als egoistisch und verantwortungslos, wenn es Nachbareinsprüche für neue Kindergärten hagelt. Für Familienfreundlichkeit hat jeder Einzelne Verantwortung zu übernehmen, nicht nur die Stadt.

Warum Familien ein Standortfaktor sind:

Am kommenden Montag diskutieren 170 Entscheider aus Kommunen und Wirtschaftsunternehmen in Heidelberg über den „Standortfaktor Familie – Mehrwert für Unternehmen und Kommunen“. Bei der Veranstaltung des Landessozialministeriums, der Familienforschung BadenWürttemberg und des Heidelberger „Bündnis für Familie“ sollen Ideen und Modelle vorgestellt werden, wie Familie und Beruf besser vereinbart werden können.

Hintergrund der Initiative ist, dass sich durch die älter werdende Gesellschaft der Fachkräftemangel noch verstärkt. Nur wer Mitarbeitern ermöglicht, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen, werde mit dem Problem Fachkräftemangel fertig und „genügend gut ausgebildete Mitarbeiter haben“, sagte OB Eckart Würzner. Auch der Ausbau der Familienfreundlichkeit bei anstehender Finanzkrise sei ein wichtiges Thema, so Jens Rittersbusch von der Familienforschung BadenWürttemberg. Neben Unternehmen sollen zudem Kommunen Modelle für Familienfreundlichkeit diskutieren. > Anmeldung für Interessierte der Konferenz: (14.6., 9.30 bis 16.30 Uhr in der Uni) unter moser@hddienste.de

(Quelle: RNZ vom von Götz Münstermann)