Weltkindertag 2021: Interview mit Oberbürgermeister Würzner

Jedes Jahr am 20. September feiern wir in Deutschland den Weltkindertag. Dieser Tag soll auf die Rechte von Kindern aufmerksam machen und einen besonderen Fokus auf ihre Wünsche und Bedürfnisse legen. Wir haben uns diesen Tag zum Anlass genommen, um mit Oberbürgermeister Würzner, unter dessen Schirmherrschaft das Bündnis vor 14 Jahren gegründet wurde, über die aktuelle Situation von Kindern und Familien zu sprechen.

Herr Würzner, die Corona-Zeit war und ist besonders für Familien und Kinder eine schwierige Zeit. Mit Blick auf den Herbst sorgen sich viele Eltern und befürchten erneute Schul- und Kitaschließungen. Können Sie Eltern hier beruhigen? Und was können wir alle als Stadtgesellschaft und die Stadt bzw. Politik – neben den empfohlenen Hygieneregeln – dafür tun, um so eine Situation zu vermeiden?

Die Familien hatten in den letzten Monaten enorme Belastungen und viel Unsicherheit zu verkraften. Es ist verständlich, dass sie sich um die weitere Entwicklung sorgen. Die Situation heute ist allerdings eine andere als noch vor einem Jahr: Wir haben gelernt, mit der Pandemie besser umzugehen und vor allem: es gibt Impfstoffe, die uns schützen und die nun auch für Jugendliche ab 12 und vielleicht auch bald für Jüngere zur Verfügung stehen. Wir arbeiten hier eng mit den Schulen und hiesigen Kinder- und Jugendärzten zusammen, um Jugendlichen, die noch keine Impfung haben, niederschwellige Impfangebote zu machen. Denn jede Impfung hilft, den Schulbetrieb zu sichern. Es gibt mittlerweile eine Routine mit Tests und Hygieneregeln an den Kitas und Schulen, aber auch im Freizeitbereich. So konnten wir in diesem Sommer tatsächlich mit 170 Angeboten ein pralles Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche anbieten, das nahezu an Zeiten vor Corona erinnert hat.

Wir sind dabei weitere Luftfiltergeräte für Klassen- und Fachräume anzuschaffen und dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Und wie oft liegt in Krisen immer auch eine Chance: So hat die Pandemie die Digitalisierung an den Schulen beschleunigt: wir haben durch eigenes finanzielles Engagement, optimale Ausnutzung von Förderprogrammen und großartige Spenden unter anderem der Familie Marguerre eine beispielhafte Ausstattung und Versorgung mit digitalen Endgeräten für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Lehrkräfte erreicht. Die personelle Ausstattung des städtischen Teams der Schul-IT ist deutlich gewachsen, Schulen haben eine Hotline und individuelle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Bis Ende des Jahres werden alle Schulen in städtischer Trägerschaft ans Glasfasernetz angebunden oder mit Richtfunk ausgestattet sein. Alles in allem sind wir deutlich weiter als noch vor einem Jahr, kriseneresistenter könnte man sagen. Das wird Familien entlasten.

Auch Jugendliche und junge Erwachsene mussten in der Pandemie auf vieles verzichten, was die Jugend ausmacht. Und dabei geht es natürlich nicht nur um Partys, sondern auch um geschlossene Sport- und Musikvereine, abgesagte Abschlussfeiern und Klassenreisen und allgemein weniger Kontakt zu Gleichaltrigen. Denken Sie wir müssen uns um die aktuelle Generation der Jugendlichen langfristig Sorgen machen? Und was braucht es, um für Jugendliche einen guten Ausgleich zu schaffen und eine Corona-Lethargie zu verhindern?

Unbestritten hatten Jugendliche mit am meisten unter den Folgen der Corona-Pandemie zu leiden. Das muss man klar so sagen. Aber was für mein Empfinden viel zu wenig gesehen wird, ist, dass Jugendlichen auch eine besondere Stärke bewiesen haben, auf die sie stolz sein können. Selbstorganisation, Durchhaltevermögen und Solidarität sind Fähigkeiten, die diese junge Generation ganz besonders auszeichnen. Es ist jetzt an der Stadtgesellschaft sich Jugendlichen gegenüber auch solidarisch zu zeigen, ihnen Räume für echte soziale Kontakte zu ermöglichen, ihnen etwas von der Freiheit zurückzugeben, die wir doch alle mit diesem Lebensabschnitt verbinden. Dazu stehe ich im engen Dialog mit den Jugendlichen und im Sommer haben wir mit dem Feierbad ein erfolgreiches Exempel zum Laufen gebracht, das der Anfang von weiteren Projekten sein soll.

Im September war wieder Ausbildungsstart, für Ausbildungsunternehmen und Schüler ist es gerade aber natürlich nochmal erschwert, zusammen zu finden. Eine weitere Herausforderung also für Jugendliche, die sich am Übergang von Schule zu Beruf befinden. Was würden Sie sagen, lohnt sich das Ausbilden auch in Corona-Zeiten und auch in Branchen, die schwer von der Pandemie getroffen wurden?

Eine gute Ausbildung ist die beste Grundlage für die eigene Zukunft. Das ist jetzt wichtiger denn je. Und sie lohnt sich auch in Branchen, die von der Coronakrise besonders betroffen sind. Zum Beispiel die Gastronomie: Hier ist die Nachfrage riesig, qualifiziertes Personal wird händeringend gesucht. Und selbst in Branchen wie Eventmanagement, die jetzt erst wieder langsam anlaufen, sind wir bald wieder bei vollen Auftragsbüchern. Eine gute Ausbildung ist die Grundlage für die Zukunft, für den Einzelnen genauso wie für die Unternehmen. Übrigens: Bei unseren digitalen Ausbildungstagen im Oktober gibt es deshalb wieder die Chance für Jugendliche, Berufe kennenzulernen und mit Unternehmen in Kontakt zu treten.

Schritt für Schritt kehrt das gesellschaftliche Leben zur Normalität zurück und auch die Zeit nach der Corona-Pandemie rückt in den Blick. Es gibt zum Beispiel schon einige Aufholprogramme für Schülerinnen und Schüler. Was ist aus Ihrer Sicht in den nächsten Monaten besonders wichtig, um verpasstes nachzuholen und Lücken zu schließen?

In der Corona-Pandemie sind in der Tat Lernlücken entstanden. Das hat man schon in Ferienzeiten über Programme wie die Lernbrücken versucht aufzufangen. Auch unsere kommunalen Förderprogramme wie das Heidelberger Unterstützungssystem Schule oder die Sprachförderung sind in diesem Schuljahr wieder angelaufen. Die Ausstattung der Schulen mit genügen Lehrpersonal ist ganz wichtig. Da ist das Land gefragt. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die Lücke im sozialen Umgang wieder zu schließen, den Kindern Präsenzunterricht und echte Kontakte zu ermöglichen, sie wieder als Gruppe zusammenzuführen und interagieren zu lassen. Ich glaube, das müssen manche, die etwa in der Coronazeit die Klasse oder Schule gewechselt haben, erst wieder neu lernen. Dass wir sozialpädagogisch und psychologisch geschultes Personal wie die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter an allen Schulen haben, ist da besonders hilfreich.

Herr Würzner, vielen Dank für das Gespräch und die positiven Aussichtung. 

Bildquelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V. / https://www.kindersache.de/weltkindertag