Porträt Silvia Schröer (Lektorin und Autorin)
Erzähl doch mal: Wer bist du und wer gehört alles zu deiner Familie?
Ich bin Lektorin, Übersetzerin und Autorin und meine Leidenschaft sind Kinder- und Jugendbücher. Ich lebe in einem Männerhaushalt mit Ehemann und vier Söhnen in Heidelberg.
Was macht eigentlich eine Lektorin genau?
Eine Lektorin arbeitet mit Autoren an ihren Geschichten und versucht, das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Das kann reichen von der ersten Idee, über die Entwicklung eines Plots oder eines Konzepts bis hin zu Faktencheck und Rechtschreibkorrektur. Bei Kinder- und Jugendbüchern achte ich zudem darauf, dass der Stil zur Zielgruppe passt.
Seit wann arbeitest du selbständig und (seit wann) kannst du davon leben?
Während meiner Elternzeit(en) habe ich hin und wieder Projekte für den Verlag betreut, bei dem ich in Vollzeit angestellt war. Da konnte ich schon mal ausprobieren, wie es sich mit freier Zeiteinteilung und von zu Hause aus arbeiten lässt. Der Schritt in die Selbstständigkeit war dann nicht mehr so aufregend. Da Halbtagsstellen in Verlagen rar gesät sind und ich mir nicht vorstellen konnte, mit den kleinen Kindern ganztags zu arbeiten, war die Selbstständigkeit die naheliegende Konsequenz. Offiziell selbstständig bin ich jetzt seit drei Jahren. Nach einem Jahr Anlaufzeit hatte ich mein Umsatzziel erreicht und die Kleinunternehmer verlassen. Ich könnte von meinem Verdienst zwar keine Familie ernähren, aber meinen Beitrag zum Familieneinkommen leiste ich.
Welcher Fehler passieren häufig Selbständigen aus der Literatur- und Kreativwirtschaft?
Man verkalkuliert sich leicht in seinem Zeitmanagement, finde ich. Gerade zu Beginn der Selbstständigkeit, wenn man noch glaubt, jedes Projekt annehmen zu müssen, weil man nicht weiß, ob und wann noch etwas nachkommt. Ich würde jedem raten zu einer Gründungsberatung zu gehen. In meinem Fall wurde mir dort vorgerechnet, wie viele Arbeitsstunden pro Jahr mir effektiv (also abzüglich Buchhaltung, Akquise, Ferien, Krankheitstage etc. ) für Arbeit am Text zur Verfügung stehen. Das hat mir die Augen geöffnet. Und auch in punkto Buchhaltung, Umsatzsteuer und Ähnlichem war ich für die vielen Tipps dankbar.
Wie baut man sich ein berufliches Netzwerk auf?
Da ich viele Jahre im Verlagswesen gearbeitet habe, bin ich mit einem breit aufgestellten Netzwerk in meine Freiberuflichkeit gestartet. Trotzdem würde ich jedem raten, der sich in der Buchbranche selbstständig machen möchte, Fortbildungen zu besuchen und den einschlägigen Verbänden beizutreten.
Wie lebst und organisierst du die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Worin liegen die größten Herausforderungen?
Vormittags, wenn die Kinder in der Schule sind, arbeite ich. Wenn sie nach Hause kommen, schalte ich den Computer aus und bin nur für sie da. Ich versuche Job und Kinder strikt zu trennen. Nicht immer einfach, wenn man von zu Hause arbeitet. Ich gebe aber z.B. meine private Telefonnummer nicht an Autoren heraus. Und wenn das Bürotelefon am Nachmittag klingelt, geht eben der Anrufbeantworter dran. Ich hatte noch nie einen Fall, der nicht auch hatte bis zum nächsten Tag warten können. Andersherum gilt das aber auch. Am Vormittag ist der Anrufbeantworter für den privaten Anschluss zuständig.
Außerdem muss man seine Arbeitszeit gegen Nachbarn, Freunde und Schule verteidigen. Gerne wird man für alle möglichen Hilfsdienste angesprochen, weil man ja „eh“ zu Hause ist. Das passiert auch beim eigenen Ehepartner. Kinderarzt-, Werkstatt- und ähnliche Vormittagstermine bleiben meistens an mir hängen. Diese Zeiten hole ich dann schon mal am Wochenende nach, wenn mein Mann da ist und auf die Kinder aufpassen kann.
Welches Buch kannst du uns unbedingt empfehlen?
„Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer, denn hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, die seinen Erfolg erst möglich macht. In diesem Fall mit besonderem Twist.
Und für die Kleinen passend zur Weihnachtszeit natürlich mein eigenes Buch: „Der kleine Hirte und das Weihnachtswunder“.
Welchen Tipp hast du an Eltern, die sich selbständig machen wollen?
Geregelte Arbeitszeiten auch zu Hause. Ginge man ins Büro, könnte man auch nicht noch nebenher die Wäsche waschen und den Frühstückstisch abräumen. Wenn die Kinder aus dem Haus gehen, lasse ich alles stehen und liegen, gehe in mein Arbeitszimmer und mache die Tür zu. Ich komme erst wieder heraus, wenn es an der Haustür klingelt und die ersten Kinder nach Hause kommen. Dann beginnt der zweite Teil meines Tages und erst dann fange ich an, die Küche aufzuräumen. Hilfreich ist auch ein Pool aus Babysittern, die einspringen können, wenn Not am Mann ist. Ansonsten: Genießt eure Flexibilität und geht zum Schulsportfest. Kein Arbeitgeber kann euch da reinreden.
Liebe Silvia, vielen Dank für das Interview.