Was fehlt, ist der einheitliche Standard. SPD vor Ort: Praktiker aus Wirtschaft und Forschung formulieren Wünsche für Kleinkindbetreuung

Welch immens hohen Stellenwert das Thema Kinderbetreuung in Forschungseinrichtungen und privat geführten Unternehmen einnimmt, offenbarte sich nun bei einem Fachgespräch im Konferenzraum der „Heidelberger Dienste“. Hierzu eingeladen hatten unter dem Motto „Politik trifft Praxis“ Anke Schuster, die Vorsitzende der SPD- Fraktion im Gemeinderat, SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding und SPD-Kreisvorsitzender Moritz Gentsch. Ergänzt wurde das Trio durch Frank Mentrup, den ehemaligen Vorsitzenden der Mannheimer SPD-Gemeinderatsfraktion und heutigen Staatssekretär im baden-württembergischen Kultusministerium. Auf der Seite der Praktiker saßen Ingrid Apfel, Personalchefin des Max- Planck-Instituts (MPI) für Astronomie, Karin Greulich-Bode, Gleichstellungs- beauftragte des Deutschen Krebsfor- schungszentrums (DKFZ), sowie Thorsten Großstück, Verwaltungsleiter der Kliniken Schmieder auf dem Speyerer Hof.

Apfel zog unter anderem das Fazit, dass in Heidelberg in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf „ganz besondere Bedingungen und Herausforderungen“ festzustellen seien. Hierzu zählte sie vor allem den „Mischmasch“ bei den Schulen und der Kleinkindbetreuung. In Deutschland, so ihr Verdikt, fehle schlicht ein einheitlicher Standard, auf den sich die Menschen verlassen könnten.

Als Beispiel für einen solchen Standard nannte sie „Schule von 8 bis 17 Uhr, mit Mittagessen, Mensa und Freiräumen“. Für Wissenschaftler, die aus anderen, derartige Standards aufweisenden Ländern nach Heidelberg kämen, sei die Situation in Heidelberg verwirrend. Man habe es „leider nur mit Lösungen zu tun, die man sich Stück für Stück erarbeiten muss“. Nach ihren Worten arbeiten am MPI für Astronomie Menschen aus über 40 Nationen.

Gar aus 63 verschiedenen Ländern stammen laut Greulich-Bode die Mitarbeiter des DKFZ. Und das habe zwei Konsequenzen: Zum einen würden viele Familien bilinguale Schulen suchen, zum anderen seien diese mit dem Problem des „Zurechtkommens im nicht angeglichenen deutschen Bildungssystem“ konfrontiert.

Auch Greulich-Bode plädierte daher vehement für eine verlässliche und durchgängige Kinderbetreuung. Nicht nachvollziehbar ist für sie zum Beispiel, dass der Schulunterricht um 12 oder 13 Uhr endet, die an zu wenigen Schulen angebotene Nachmittagsbetreuung aber erst um 14 Uhr beginnt. Ebenfalls ein Knackpunkt ist in ihren Augen die Nachwuchsbetreuung in den sechswöchigen Sommerferien, die für Familien zu einer „großen finanziellen Belastung“ werden könne. Deshalb habe das DKFZ in den Pfingstferien erstmals ein an die Arbeitszeiten angepasstes Ferienangebot offeriert.

Für Großstück besonders wichtig ist die soziale Gerechtigkeit. Denn wenn er für gut bezahlte Fachkräfte individuelle Lösungen in privaten Betreuungseinrichtungen ermöglichen würde, hätte er ruckzuck den „Betriebsrat im Büro sitzen“. Deswegen stelle er sich „jeden Tag die Frage, aus welchen Mitteln eine mögliche Kleinkindbetreuung bezahlt werden könnte. Und welche Einrichtung nehme denn schon um 6.30 Uhr, dem Beginn der Frühschicht, Kinder auf.

Mentrup musste eingestehen, dass die Landesregierung die Probleme im Ganztagesbereich nicht auf einmal lösen könne. Er wolle sich aber dafür einsetzen, dass ein qualitativ hochwertiges Ganztagesangebot geschaffen werde. Eine Individualisierung in Richtung 24-Stunden-Betreuungsangebot sei aber nicht drin, hierfür müssten „punktuelle Lösungen“ gefunden werden. Schuster wiederum hatte als zentrales Problem die weiterführenden Schulen ausgemacht. Die anderen Baustellen habe man in Heidelberg weitgehend gelöst.

(Quelle: RNZ vom 31. Juli 2012, Autor: Werner Popanda)