“Frischer Wind für Eltern mit Kindern”

Bündnis für Familie setzt auf flexible Lösungen wie Babysitterbörsen und Stundenhorte

Von unserem Redaktionsmitglied Simone Jakob

“Wir brauchen viele junge Menschen, die sich für diese Stadt begeistern”, sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner gestern bei der Gründung des neuen Heidelberger Familienbündnisses. In der Alten Aula trafen sich 120 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und von freien Trägern, um der Familienoffensive des OB den Rücken zu stärken. Mit dem Projekt wolle man ein “rundes Programm” entwerfen, in dem die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtige Rolle spielen werde, so Würzner. “Familien sind die Zukunft unserer Stadt und im internationalen Wettbewerb ein wesentlicher Standortfaktor für die Kommunen.

“Für Eltern und Kinder weht jetzt ein frischer Wind in Heidelberg”, betont Wolfgang Schütte, Geschäftsführer der Heidelberger Dienste, die den Zusammenschluss initiiert und vorbereitet haben. Im Foyer der Alten Universität wurden gestern in Arbeitsgruppen bereits die ersten Aufgaben- und Themenschwerpunkte diskutiert. So will die Vereinigung ein positives Wohn- und Lebensumfeld für Eltern und Kinder schaffen sowie Chancengleichheit, bürgerschaftliches Engagement und Betreuungsangebote fördern. Man arbeite an einem Konzept zur Erweiterung und Flexibilisierung der Kita-Öffnungszeiten und wolle ein Netzwerk familienfreundlicher Unternehmen bilden.

“Es gibt so viele gute Ideen, angefangen von Babysitterbörsen und Tagesmüttervermittlungen bis hin zu Kinderhorten auf Stundenbasis wie sie in den USA üblich sind”, findet die Direktorin des Heidelberger Amtsgerichts, Gabriele Meister, die in ihrem Vortrag “Kinder, Küche und Karriere – aus dem Leben einer Rabenmutter” eine Ganztagesschule forderte. “Als Familienrichterin habe ich oft erlebt, dass geschiedene Mütter arbeiten gehen müssen und ihre Kinder den ganzen Nachmittag alleine vor dem Fernseher verbringen.” Sie setze auf das Projekt “familienfreundliches Heidelberg”. “Ich bin sicher, wir werden alle dadurch gewinnen.”

Quelle: Mannheimer Morgen, 29. März 2007

„Kontakte knüpfen ist heute das Wichtigste”

Stadt, Universität, Unternehmer und freie Träger gründeten in der Alten Aula gestern das Bündnis für Familie Heidelberg„Ein Kind hatte ich umgebunden, vor mir zwei Einkaufswagen. In dem einen saßen meine anderen beiden Kinder, in den zweiten kamen die Lebensmittel. Während ich die Sachen in den Wagen legte, schaufelte mein Sohn sie hinten wieder raus.” So beschrieb Gabriele Meister ihren Versuch, den Einkauf und drei Kinder miteinander zu verbinden. Ihre Zuhörer waren rund 120 Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und freien Trägern in der Alten Aula der Universität. Wie es ist, wenn Erziehende nicht nur einkaufen, sondern einen Beruf behalten wollen oder müssen, stellte die Leiterin des Amtsgerichtes ebenso anschaulich vor: ein Dilemma, das nach Lösungen schreit.

Was es in 379 Städten in Deutschland als Bundesinitiative schon gibt, ist des halb nun auch in Heidelberg beschlossene Sache: Ein Bündnis aus privaten Unternehmen und Institutionen mit dem übergeordneten Ziel, die Stadt für Familien attraktiver zu machen. Schirmherr Oberbürgermeister Eckart Würzner sieht damit seine Familienoffensive unterstützt und stellte Familienfreundlichkeit erneut als wesentlichen Standortfaktor heraus: „In Heidelberg haben nur 18 Prozent der Einwohner selbst Kinder. Junge Familien sind oft gezwungen, ins Umland zu ziehen.” Schwerpunkte des Bündnisses sind darum familienfreundliches Wohnen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kleinkindbetreuung, Chancengleichheit, Gesundheit und Pflege und bürgerschaftliches Engagement. In diesen Bereichen wurden Arbeitsgruppen gebildet, die sich bei Häppchen, Sekt und Saft im Foyer präsentierten.

„Kontakte zu knüpfen ist heute am wichtigsten”, sagte Sylvia Hetzel vom Universitätsklinikum Heidelberg mit Blick auf die Ziele ihrer Arbeitsgruppe ‚Kinderbetreuung‘: Hier sollen vor allem erweiterte Öffnungszeiten der Einrichtungen, aber auch ein größeres Angebot, insbesondere für Kleinkinder, erreicht werden. „Dazu müssen natürlich alle ihren Beitrag leisten, auch Arbeitgeber wie zum Beispiel die Kaufhof AG, die in der Arbeitsgruppe vertreten ist.” Die verschiedenen Blickwinkel sieht sie positiv: „Das kann neue Impulse geben.”

Gisela Deuer aus der Arbeitsgruppe ‚Vereinbarkeit von Beruf und Familie‘ ist nach der Gründungsveranstaltung und vielen Gesprächen mit möglichen Partnern skeptischer: „Ich sehe schon, da prallen Welten aufeinander. Allein bei der Frage der Öffnungszeiten von KiTas.” Die angepeilte Zeitspanne von 7 Uhr morgens bis in den Abend sei mit dem üblichen Konzept der kontinuierlichen Betreuung von Kindern in einer festen Gruppe nicht vereinbar und stoße auf Abwehr. „Natürlich müssten die Erzieher dann tagsüber wechseln, aber warum auch nicht?”

Einen ersten Schritt haben die Arbeitsgruppen bereits getan, indem sie klare Ziele im Sinne von Eltern und Kindern in Heidelberg formulierten. Deren Durchsetzung dürfte allerdings der eigentliche Kraftakt werden. Damit sich das „Bündnis für Familie” nicht nur gut im Firmenportfolio beteiligter Unternehmen liest, müssen offenbar noch einige Denkstrukturen geknackt werden.

Quelle: RNZ, 29.03.2007